Fachkräftemangel, eine Chance?

Merle Losem lächelt in Kamera
Hat Lösungsvorschläge: Merle Losem, Geschäftsführerin Deutsche Hotelakademie

Samstag, 30. November 2019 | Laut der Dehoga-Konjunkturumfrage aus dem Herbst 2018 sehen 67,7 Prozent der befragten Hoteliers und 63,2 Prozent der Gastronomen die Gewinnung von qualifiziertem Personal als das größte Problem im Betriebsalltag an. DieZahl der Neueröffnungen, der Wettbewerbsdruck und somit auch dieNachfrage nach guten Arbeitskräften steigt. Doch für viele Hotels und Gaststätten wird es immer schwieriger, geeignetes und motiviertes Fachpersonal zu finden.

Arbeitnehmer wollen heute mehr

Ein sicherer Arbeitsplatz und ein geregeltes Einkommen reicht den Beschäftigten nicht mehr aus. Vor allem die jungen Nachwuchskräfte der Generation Y wollen ihre Zeit flexibel gestalten und Sinn in ihrer Arbeit sehen. Nur Betriebe, die ihnen Perspektiven und attraktive Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen, werden sie für sich gewinnen. Ob durch attraktive Karriere- oder Weiterbildungsprogramme, moderne Vergütungsmodelle oder flexible Arbeitszeiten – es gibt vielfältige Personalentwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, mit denen sich Hoteliers und Gastronomen wieder attraktiver für qualifizierte Fachkräfte machen können. „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“ – das vergessen heute viele Betriebe. Um sich gute Mitarbeiter „zu angeln“, sollten sich Arbeitgeber daher die Frage stellen, was genau Fachkräfte von ihrem Betrieb erwarten – und darauf alle Gewinnungs- und Bindungsmaßnahmen ausrichten. Vier Strategien, die dabei helfen:

Strategie 1: Als Arbeitgebermarke punkten 

In der heutigen Zeit sind nur die Unternehmen zukunftsfähig, die eine überzeugende Markenidentität haben und, die nicht nur ihre Gäste, sondern auch ihre Mitarbeiter durch kreative Personalkonzepte zu Fans machen. Betriebe sollten daher genau definieren, was ihre Werte sind, wofür sie stehen, was sie besonders gut können und was sie ihren Mitarbeitern bieten. Flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege, ein familiäres Betriebsklima und Teamgeist, eine große Bandbreite an Aufgaben, größere Flexibilität oder eine besondere Nähe zur Unternehmensleitung – all das können schlagende Argumente sein, um potenzielle Mitarbeiter von sich zu überzeugen.

Strategie 2: Neue Recruiting-Wege gehen

Überzeugendes Personalmarketing und -recruiting beginnt schon bei der Stellenausschreibung, die dort erscheint, wo sich potenzielle Bewerber tummeln. Warum also nicht mal ganz neue Wege der Akquise nutzen und Jobs bei Facebook, Instagram oder eBay Kleinanzeigen posten? Hotel- und Gastronomiebetriebe sollten dort präsent sein, wo ihre potenziellen Mitarbeiter sind und deutlich kommunizieren, was sie Fachkräften und Auszubildenden bieten können. Die Vorteile für die Bewerber sollten natürlich auch auf der eignen Karriereseite formuliert sein. Sie kann von der Unternehmens-Webseite losgelöst werden – das erlaubt zugleich ein neues Design und eine andere Ansprache.

Wenn die Bewerbungen eingehen, sollten die Personalverantwortlichen schnell reagieren. Bewerber warten heute nicht mehr lange. Vom Eingang der Bewerbung bis zur Rückmeldung sollte am besten nicht mehr als eine Woche vergehen. Professionelle Tools zum Bewerbermanagement helfen, den Überblick zu behalten. Immer mehr Betriebe fordern im ersten Schritt nur einen Lebenslauf und telefonieren dann mit den Bewerbern, um zu klären, ob die Erwartungen beider Seiten zusammenpassen. Ein persönliches Gespräch, wenn auch erst einmal nur telefonisch, sagt häufig so viel mehr aus – über den Bewerber wie auch über den Arbeitgeber. Ganz mutige Betriebe können in der Stellenausschreibung auch versprechen: Bei Bewerbung erfolgt ein garantiertes Skype-Interview.

Auch attraktive Karriere- oder Weiterbildungsprogramme, positive Presseberichte oder ein zielgerichtetes Hochschul-Recruiting fördern ein positives Image, das Nachwuchs und Fachkräfte anzieht. Betriebe könnten zum Beispiel Karriereevents und -partys initiieren oder auch Botschafter aus den eigenen Mitarbeiterreihen für Marketing und Pressearbeit nutzen.

Strategie 3: Langfristige Zusammenarbeit fördern

Auf einen gelungenen Bewerbungsprozess sollte ein perfekter Onboarding-Prozess folgen. Eine herzliche Willkommensphase und ein gelebter Teamspirit sind wesentliche Bausteine des Erfolgs. Die Wertschätzung neuer Mitarbeiter kann beispielsweise auch sichtbar werden durch Paten und Mentoren, aber auch durch eine klare Struktur und eine durchdachte Planung der Einarbeitungsphase.

Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern die Möglichkeiten bieten, sich gezielt weiterzubilden und im Unternehmen zu wachsen, sind besonders attraktiv. Doch mit einem „Standard-Seminar für alle“ locken Arbeitgeber heute keine fähige Fachkraft mehr hinter dem Ofen hervor. Vielmehr sind individuell gestaltete, moderne und nachhaltige Coachings, Team-Workshops, Mentoring-Programme, Webinare oder berufsbegleitende Studien- und Weiterbildungsprogramme für Mitarbeiter gefragt, die Spaß machen. Betriebe, die diese Optionen anbieten, haben verstanden, dass dies ein wichtiger Teil des Employer Brandings ist und Fachkräfte nicht „überqualifiziert“, sondern anlockt. Denn sie sichern das Know-how im Unternehmen, zeigen Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern und sichern den eigenen Nachwuchs in Spezialthemen wie E-Commerce und Revenue Management.

Strategie 4: Flexibilität für Beruf und Familie

Der Wunsch nach Selbstverwirklichung und Work-Life-Balance wird für Arbeitnehmer immer wichtiger. Flexible Arbeitszeitmodelle sind daher ein wichtiger Faktor, um zum Beispiel Eltern oder Pendler langfristig zu binden und ihnen individuelle Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen. Nur Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern genügend Flexibilität gewähren, um Beruf, Freizeit und Familie unter einen Hut zu bekommen, schaffen es, sie nachhaltig zu motivieren. Ob Teilzeit, Jobsharing oder mobiles Arbeiten – an den Stellen, an denen es möglich ist, sollten Arbeitgeber es auch möglich machen.

Fazit: Betriebe, die erkennen, dass das Thema „Personal“ kein Problem, sondern vor allem eine große Chance für die Branche darstellt, haben heute die Nase vorn. Ihnen kann der Fachkräftemangel wenig anhaben. Moderne Mitarbeitergewinnung, individuelle Nachwuchsförderung sowie attraktive Ausbildungs-, Studien- und Weiterbildungsprogramme – durch ein gezieltes Employer Branding und kreative Personalentwicklung ergreifen diese Betriebe die Chance, den negativen Entwicklungen zu begegnen und mehr noch, sie für sich zu nutzen.

Die Autorin Merle Losem ist Geschäftsführerin der Deutschen Hotelakademie (DHA), die auf offene Trainings und berufsbegleitende Weiterbildungen für Hotellerie und Gastronomie spezialisiert ist. Sie begleitet zahlreiche Recruiting-, Employer Branding-, Mitarbeiterentwicklungs- und Bindungsprogramme. Mit dem von der DHA initiierten Hospitality HR Award verleiht die DHA zudem einen Branchenpreis für nachhaltige HR-Strategien.

© Matthaes Verlag GmbH

www.aghz.de


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