Schön, dass du da bist!

Dienstag, 17.03.2020 | Mitarbeiterbindung beginnt schon vor dem ersten Arbeitstag im neuen Job und allerspätestens mit dem Empfang am neuen Arbeitsplatz. HR-Profis erläutern, mit welchen Benefits und Förderungen sie heute Arbeitskräfte gewinnen und halten.

Gekommen, um zu bleiben? Laut der Gallup-Studie 2019 zur Mitarbeiterzufriedenheit gilt das für sechs Millionen Arbeitnehmer in Deutschland nicht, denn sie haben demnach bereits innerlich gekündigt. Darunter sicher auch viele Mitarbeiter aus dem Gastgewerbe, einer Branche, die seit jeher mit einer überdurchschnittlich hohen Fluktuation zu tun hat. In Zeiten des Fachkräftemangels gilt es mehr denn je, das Augenmerk nicht nur auf das Recruiting, sondern auch auf das Thema Bindung zu richten. Denn: Der Aufwand, einen Mitarbeiter zu ersetzen, ist immens - nicht nur wegen des mittlerweile sehr müh­­­­­­­­­­sam gewordenen Recruiting-Prozesses. Hat man die neue Arbeitskraft gefunden, muss sie erst eingearbeitet werden, bis sie das verloren gegangene Know-how im Unternehmen ersetzen kann.

Bindung beginnt bereits vor dem ersten Arbeitstag

„Ich wurde als hochbezahlte Führungskraft eingestellt, und dann war an meinem ersten Arbeitstag noch nicht mal der Computer da." Dieser neue Mitarbeiter blieb dem Unternehmen nicht lange erhalten. Ein herzliches Willkommen, Kollegen, die bei Fragen zur Seite stehen, sowie ein eingerichteter Arbeitsplatz sollten selbstverständlich sein, sind aber auch nur das Minimum. Ein guter Onboarding-Prozess läuft mindestens bis zur Beendigung der Probezeit und beginnt am besten schon vor dem ersten Arbeitstag, mit dem sogenannten Preboarding. Laut einer aktuellen Umfrage des Haufe-Verlags kündigten im vergangenen Jahr in 30 Prozent der befragten Unternehmen neue Mitarbeiter schon, bevor sie die Stelle überhaupt angetreten hatten. Eine Begrüßungsmappe mit Informationen zum Leitbild, zu Weiterbildungsmöglichkeiten, das Vereinbaren erster Gespräche bestärken neue Mitarbeiter schon vor dem ersten Tag darin, die richtige Wahl getroffen zu haben.

Schön, dass du da bist!

Eine neue Stelle anzutreten ist, insbesondere wenn es die erste ist, immer mit Unsicherheit verbunden. Ängste nehmen, Sicherheit vor dem ersten Einsatz im Service oder an der Rezeption vermitteln - darum geht es den H-Hotels mit ihrem viertägigen Bootcamp für ihre neuen Azubis, liebevoll „Newbies" genannt. Auf dem Programm stehen neben spannenden Workshops vor allem jede Menge Spaß und Teambuilding. So wird das Bootcamp - getreu dem Motto der Mitarbeiterkultur „Schön, dass du da bist" - zu einem Event, das vom ersten Tag an Begeisterung für das Unternehmen weckt und eine Bindung schafft. ,,In diesem Jahr werden wir das Bootcamp zum fünften Mal als festen und nicht mehr wegzudenkenden Bestandteil der Ausbildung durchführen. Wir nutzen die vier wirklich intensiven Tage, um unseren ,Newbies' nicht nur einen tollen Start zu ermöglichen, sondern auch, um sie den Gastgebergedanken und die Leidenschaft, die mit unserer Branche verbunden ist, vom ersten Tag an erleben zu lassen", erläutert Sarah Sigloch, Vice President Human Resources bei H-Hotels. „Nach dem Bootcamp reisen unsere neuen rund 100 Azubis zwar müde, aber selbstsicher und ausgestattet mit den ersten Kenntnissen, die sie im Betrieb direkt einsetzen können, sowie neuen Freundschaften nach Hause." Auch die Lindner Hotels setzen schon lange auf Mitarbeiterbindung. Bereits im Jahr 2012 haben sie erkannt, dass man sich heute als Arbeitgeber bei den Mitarbeitern bewerben muss, und folgerichtig den „Day to Stay" ins Leben gerufen. Ziel ist, fertig- und gut ausgebildete Azubis oder duale Studenten in fest angestellte Mitarbeiter zu verwandeln, indem man ihnen spannende Perspektiven aufzeigt. Die Rechnung geht auf: Über 70 Prozent der Azubis bleiben Lindner Hotels nach Beendigung der Ausbildung erhalten. ,,Auf diese tollen Erfolge bei der Ausbildung der Nachwuchskräfte bin ich besonders stolz", freut sich Otto Lindner, Vorstand Lindner Hotels. „Gerade als Familienunternehmer ist es mir ein besonderes Anliegen, die Leidenschaft für die Hotellerie auch an die nächsten Generationen weiterzugeben." Es funktioniert.

Sich gemeinsam weiterentwickeln

Das Feuer für den Arbeitgeber nicht nur zu entfachen, sondern zum Lodern zu bringen, ist das Ziel der gemeinsamen Reise mit dem Mitarbeiter. Die „Employee Journey" beschreibt den Werdegang des Mitarbeiters in einem Unternehmen mit all seinen sogenannten „Touchpoints", vom ersten Arbeitstag über Feedbackgespräche bis hin zum Abschied am Ende des Arbeitsverhältnisses. Auf dieser gemeinsamen Reise verändern sich Mitarbeiterbedürfnisse. Wenn der Single zum Familienvater wird, hat das womöglich Auswirkungen auf seine Wünsche hinsichtlich der eigenen Karriereplanung oder der Arbeitszeiten. Ein Dienstplan, der frühzeitig geschrieben wird und Raum für individuelle Wünsche lässt, vielleicht sogar neue Aufgabenfelder - die Möglichkeiten, den Mitarbeiter in seiner neuen Lebenssituation abzuholen, sind vielfältig. Essenziell sind auch Angebote und Anreize, sich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln. „Mitarbeiter wollen wahrgenommen und individuell gefördert werden. Das stärkt die Bindung an das Unternehmen ungemein", sagt Merle Losem, Geschäftsführerin der Deutschen Hotelakademie. Wichtig seien Angebote, die sich an die jeweiligen Lebenssituationen der Mitarbeiter anpassen. ,,Den größten Erfolg haben Weiterbildungsangebote, wenn Mitarbeiter selbst das Lerntempo bestimmen, den Ort und die Zeit für Weiterbildung auswählen und das Gelernte direkt ,on the Job' umsetzen können", weiß die Expertin für berufliche Weiterbildung. Auch Generationsunterschiede sind beim Thema Mitarbeiterbindung zu berücksichtigen: Junge Menschen verlangen nach Antworten auf die Frage nach dem Sinn ihres Tuns. Hier punkten Unternehmen wie Upstalsboom, das einen Teil seines Gewinns für den Bau von Schulen in Ruanda oder andere soziale Projekte einsetzt. Zusätzlich gefällt vor allem den Jüngeren die Philosophie von Upstalsboom, dass sich die Mitarbeiter quer durch alle Abteilungen und Hierarchiestufen persönlich entfalten oder sogar über sich hinauswachsen können - etwa bei der gemeinsamen Polar-Expedition oder der Besteigung des Kilimandscharo.

Bindung in Zeiten des Wandels

Ob ein Wechsel in der Führung oder der Launch einer neuen Marke: Veränderungen sind in Unternehmen nicht beliebt und gelingen nur, wenn die Mitarbeiter dabei mitgenommen werden. Heiko Buchta kam 2013 als neuer Direktor aus der internationalen Kettenhotellerie ins privat geführte Platzl Hotel in München. Seine Mission war, eine Brücke zwischen Tradition und Moderne zu schlagen und Innovationen einzuführen. Statt den Wandel von oben zu verordnen, gelang es ihm und seinem Team, die Mitarbeiter einzubinden, die teilweise auch als interne Botschafter fungierten. Vision, Führungsleitlinien und Markenwerte wurden gemeinsam erarbeitet. Heute zählt das Hotel mit seiner strategischen Ausrichtung, den klaren Strukturen, vereinfachten Arbeits­prozessen und einer erkennbaren Mission zu den beliebtesten Arbeitgebern auf der Bewertungsplattform von Hotelcareer.

Bei Vienna House war es ein neues Markenkonzept, das dazu führte, sich auch als Arbeitgeber im Rahmen der Neupositionierung des Unternehmens neu aufzustellen. Auch dort tragen die Mitarbeiter als Botschafter die Werte von Vienna House weiter und prägen das Image durch Erzählungen über ihre eigenen Karriere- und Lebenswege. Der Wert, ein echter Gastgeber, ,,man selbst zu sein", keine Maske zu tragen, lässt bei Vienna House viel Raum für Individualität. Über „Storytelling" wird dieser starke Employer Brand gefestigt. ,,Für mich ist der wichtigste Kitt, für und mit Menschen zu arbeiten, die man schätzt. Menschen schaffen eine Unternehmenskultur, der man sich verbunden fühlt, und Möglichkeiten, sich zu verwirklichen", erklärt Rupert Simoner, Vorstandsvor­sitzender Vienna House.

Haltung ist entscheidend

Es müssen nicht immer Reisen bis ans Ende der Welt sein, wenn man aus der „Employee Journey" einen gemeinsamen langen Trip mit spannenden Erfahrungen und schönen Erlebnissen machen möchte. ,,Wichtig ist die Haltung des Arbeitgebers", sagt Merle Losem, die in den vergangenen fünf Ausgaben des Hospitality HR Awards eine Vielzahl von HR-Strategien begutachtet hat. Geht es dem Unternehmen wirklich um das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter? Setzt es aus dieser Motivation heraus entsprechende, individuelle Bindungsmaßnahmen um, belohnen Mitarbeiter das mit Treue.

Lange schaute man in der Personalarbeit auf einzelne Benefits. Allein reichen diese extrinsischen Motivatoren laut Losem nicht, sind aber effektive Bindungsinstrumente, wenn sie in ein Gesamtkonzept eingebettet sind, wie zum Beispiel beim Hotel Der Blaue Reiter in Karlsruhe. Dort kommt zu den schon über dem Branchendurchschnitt liegenden Benefits eine Kultur der Entwicklung, Wertschätzung und des Zusammenhalts hinzu. Die Benefits decken dabei die wichtigsten Themen für den Arbeitnehmer ab: Gesundheit, Sicherheit, Wissen, Finanzen, Freizeit, Soziales und Extras, das sogenannte Sieben-Säulen-Prinzip. Unbefristete Arbeitsverträge, Übernahme der Rentenversicherung, Seminare für die Azubis, eine „Kennenlernwoche" in allen Abteilungen und die Möglichkeit für ein Praktikum im Fünfsterne-Superior-Sonnenalp-Resort-Hotel, Weiterbildungen bis hin zum berufsbegleitenden Studium - das sind nur einige Beispiele. Und wenn der Mitarbeiter doch mal einen ganz anderen Weg einschlagen möchte? Geht man im Guten auseinander und hält den Kontakt, besteht doch die Chance, dass dieser mit all seinem Wissen und neuen Erfahrungen reicher wieder zurückkommt.

Die Autorin Anja Eigen ist bei der Deutschen Hotelakademie (DHA) Projektleiterin der Kampagne #hierwillicharbeiten und des Hospitality HR Award.

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