Die Mitarbeiter als „interne Kunden“ verstehen

Portrait Merle Losem

Thema Personalmanagement im digitalen Hospitality HR Summit

Köln, 04. Januar 2021 I Die Hospitality-Industrie wird durch die Coronakrise vor nie dagewesene Aufgaben gestellt, das Image der Branche wird durch Arbeitsplatzunsicherheit und strukturelle Ungewissheit belastet. Daraus ergeben sich vielschichtige Fragen und Aufgaben für Arbeitgeber und Personalverantwortliche. Impulse und Inspirationen für den Weg aus der Krise gab im Oktober der Hospitality HR Summit der Deutschen Hotelakademie (DHA), der erstmalig als Digitalkonferenz stattfand. Tophotel begleitete die Veranstaltung als Medienpartner.

Mehr als 20 Experten und Branchenvertreter konnte die Deutsche Hotelakademie als Referenten für den digitalen Hospitality HR Summit gewinnen, der in diesem Jahr erstmalig und anstelle des renommierten Hospitality HR Awards und der daran gekoppelten Fachtagung stattfand. Knapp 200 Interessierte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen an dem eintägigen Digital-Event teil. Im Rahmen von Deep Dives, Panel-Diskussionen und Impulsvorträgen erhielten die Teilnehmer Anregungen für zukunftsweisende Personalstrategien im Gastgewerbe.

Die Krise als Nagelprobe

Thomas Sattelberger, Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten für Innovation, Bildung und Forschung, fand in seiner Keynote klare Worte für den gegenwärtigen Zustand des Personalmanagements in der Hospitality-Industrie: Die Coronakrise sei eine Nagelprobe für die wahre Güte von Retentionsstrategien. Der HR-Experte, der im Laufe seiner Karriere unter anderem als Leiter Konzern-Führungskräfte und Personalentwicklung bei der Deutschen Lufthansa und als Personalvorstand bei der Deutschen Telekom tätig war, warnt zudem vor einer weiteren Verschärfung des Fachkräftemangels. Durch die Existenzängste vieler Betriebe nehme auch die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse ab, wodurch noch mehr junge Menschen als bisher der Branche den Rücken kehrten.

Sattelbergers Appell lautet deshalb: „Nicht nur durch die Krise führen, sondern das Geschäft weiter ausbauen.“ Unternehmergeist sei nun gefragt – es gelte, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und die Mitarbeiter von Anfang an in diesen Prozess miteinzubeziehen. Dies leiste einen essenziellen Beitrag zu nachhaltiger Mitarbeiterbindung. „Partizipation ist das Keywort. Wer das nicht erkennt, hat letztlich keine Existenzberechtigung“, so das schonungslose Resümee des Politikers.

High (internal) Customer Touch trotz sozialer Distanz

Mit den stark gestiegenen Corona-Fallzahlen im Verlauf des Herbstes rückten auch die Kontaktverbote wieder verstärkt in den Lebens- und Berufsalltag. Trotz der damit einhergehenden sozialen Distanz muss Gastfreundschaft für den internen und externen Kunden erlebbar bleiben. Denn wer Führung als eine Dienstleistung begreife, zähle sein Team ebenso zum Kundenstamm des Unternehmens wie seine Gäste. Das Etablieren digitaler Marktplätze oder das Einrichten regelmäßiger Sprechstunden für organisatorische und persönliche Probleme könne helfen, die internen Customer Touchpoints bilateral aufrechtzuerhalten, so das Fazit eines Deep Dives. Mit dem Schlagwort „Hospitality Remote“ fasst Thomas Sattelberger diese Disziplin zusammen.

Erprobte Prozesse neu denken

Flexibilität ist für die Hotellerie das Gebot der Stunde. Nicht nur die Hygieneauflagen und Buchungskonditionen betreffend, sondern auch im Hinblick auf das eigene Geschäftsmodell. Um etwa im Talentwettbewerb gegenüber Arbeitgebern mit Homeoffice-Möglichkeiten bestehen zu können, bedarf es intelligenter Arbeitszeitmodelle. Die Bürde, die mit der Flexibilisierung von Arbeitszeiten einhergehe, müsse überwunden werden, rufen die Experten auf. Unternehmensweite Vertrauensarbeitszeit könne ein erfolgversprechender Ansatz sein, funktioniere jedoch nur, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Augenhöhe agieren.

In diesem Zusammenhang müsse das Zulassen von Wochenarbeitszeitkontingenten weiterhin eine wichtige Forderung der Branche an die Politik darstellen. Dass Deutschland damit kein Vorreiter sei, sondern lediglich die europäische Arbeitszeitrichtlinie umsetze, konnte Thomas Sattelberger bestätigen. Die Einführung eines „großen“ unternehmensweiten (anstelle eines abteilungsspezifischen) Dienstplanes, in dem Mitarbeiter auch abteilungsübergreifend eingesetzt werden, könne ein weiterer Impuls sein, bewährte Prozesse neu zu denken und den Zusammenhalt in der Krise zu stärken.

Schlüsselfaktor Unternehmenskultur

Unternehmenskulturen sind derzeit in hohem Maße angreifbar. Darüber sind sich die Experten des HR Summits einig. Die Bedeutung des sozialen Miteinanders im Rahmen einer vertrauensvollen und partizipativen Unternehmenskultur ist deshalb zentraler denn je, wie auch eine Studie der Yourcareergroup in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO illustrierte, für die knapp 4.000 Mitarbeiter aus der deutschsprachigen Hotellerie, darunter 67 Prozent mit Führungserfahrung, befragt wurden.

Mehr Mitbestimmung und Selbstverwirklichung, der Dialog mit Mitarbeitern auf allen Ebenen über Veränderungen und die Förderung von Unternehmern im Unternehmen, sogenannte Intrapreneure, machen Unternehmenskulturen zukunftsfähig und belastbar, so die Schlussfolgerungen der Studie. Der in der Praxis teilweise erlebten Zurückhaltung der Mitarbeiter hinsichtlich dementsprechend initiierter Kulturwandel müsse dabei mithilfe von durchlässigen Informationssystemen und intensiven Einzelgesprächen Rechnung getragen werden, wie die bisherige Erfahrung der Experten belegt.

Digital & Blended Learning halten Einzug

Auch in der Personalentwicklung gilt es, neue Wege zu gehen. Die Bedeutung individueller Lernreisen nehme weiter zu, so das zentrale Resultat eines Panels. Was möchte jeder einzelne Mitarbeiter wirklich lernen? Welche Trainingsart gefällt ihm oder ihr wann am besten? Spätestens mit dem Corona-bedingten Lockdown haben digitale Lernformate in der Branche Einzug gehalten. Diese passgenau und motivierend mit physischen Trainings im Rahmen eines Blended-Learning-Konzepts zu verweben, müsse das mittelfristige Ziel sein, dessen Erreichung ab sofort forciert werden müsse.

Online-HR-Summit als zukunftsfähiges Format

Das Feedback, das die Deutsche Hotelakademie auf den Hospitality HR Summit hin bekommen hat, sei rundum positiv gewesen. Auch das Fazit von Veranstalterin Merle Losem zum ersten Hospitality HR Summit fällt positiv aus: „Es war schön zu sehen, dass das sehr vielseitige und abwechslungsreiche Programm über den Tag hinweg die Teilnehmer angesprochen hat und somit fast alle Summit-Gäste bis zum Schluss geblieben sind. Die Interaktion der Teilnehmer mit den Referenten war rege, und schlussendlich bin ich natürlich auch sehr glücklich darüber, dass die Technik, mit der wir arbeiten, wieder einwandfrei funktioniert hat“, so die Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für berufliche Bildung (DGBB), zu welcher auch die Deutsche Hotelakademie zählt. Die Wiederholung eines solchen Formats könne sie sich gut vorstellen, so Merle Losem.

Die größte Herausforderung bestand darin, dass die Verleihung des HR Awards klassisch auch eine Plattform für den persönlichen Austausch ist. „In diesem Zusammenhang haben wir uns natürlich viele Gedanken gemacht, wie es gelingen kann, diesen Netzwerk-Gedanken zu Teilen in das digitale Format zu übertragen“, so Losem. „Über die kurzen Impulsvorträge und die anschließenden Panels konnten wir viele Branchenkollegen und Preisträger der letzten Jahre einbinden, die offen und ehrlich von ihren Herausforderungen und ihren Antworten auf diese berichteten. Die Kollegen haben so untereinander Erfahrungen ausgetauscht und Empfehlungen diskutiert.“

© Tophotel 12-2020

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