Gesunde Gastro-Teams
Fehlende Bewegung, falsches Schuhwerk, Stress und inadäquate Arbeitsplätze – Alltag in der Gastro-Küche? Abhelfen kann Betriebliches Gesundheitsmanagement
Um gute Mitarbeiter im Betrieb zu halten und attraktiv für neue Mitarbeiter wie auch Azubis zu sein, ist Betriebliches Gesundheitsmanagement eine sehr gute Maßnahme. Warum das Thema auch und gerade in Zeiten von Covid-19 nicht vernachlässigt werden sollte, hat uns Annika Franke berichtet, die Unternehmen in Sachen BGM unterstützt und ihr Wissen zudem als Dozentin an der DHA weitergibt.
first class: Frau Franke, wie schlägt sich die Außer-Haus-Verpflegung und Hotelbranche, wenn es um die Gesundheit des Küchenteams geht?
Franke: Wir beobachten, dass die Einführung von BGM häufig an die Unternehmensgröße und Mitarbeiterzahl gekoppelt ist. Ein Nachteil für Küchenteams in kleinen Betrieben. Zudem führt der erste Schritt in Richtung BGM häufig über Interventionen der betrieblichen Gesundheitsförderung, wie Präventionskurse. Da dies nur ein Baustein des BGM ist, gehen solche Betriebe die Gesundheit ihrer Mitarbeiter noch nicht strategisch an – es ist aber dennoch ein Schritt in die richtige Richtung. Küchenmitarbeiter, deren gastronomisches Angebot auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung ausgerichtet ist, profitieren zudem selbst von den gesunden Speisen, die sie produzieren. Das zeichnet sich besonders in familiär geführten Unternehmen oder GV-Betrieben mit entsprechendem Speisenangebot ab.
first class: Welche Belastungen können in der Küche entstehen und wie kann diesen entgegengewirkt werden?
Franke: Insbesondere langes Stehen sowie schweres Heben und Tragen sind zentrale Probleme, die zu einer körperlichen (Über-)Belastung führen können. Infolgedessen verursachen sie Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems. Präventiv eignen sich zwei Maßnahmen: Zum einen die ergonomische Planung der Küche. Das bedeutet, dass in Zusammenarbeit mit einem Ergonomie-Experten etwa die Höhe von Arbeitsflächen entsprechend angepasst wird: das Kochfeld braucht beispielsweise eine andere Arbeitshöhe als Flächen, auf denen geschnitten wird. Schneideflächen sollten 15 Zentimeter unter dem Ellbogen liegen. Da Küchenteams oft sehr heterogen zusammengesetzt sind, sind die Arbeitsflächen im Optimalfall höhenverstellbar und somit an jede Körpergröße anpassbar. Zum anderen helfen leichte Kräftigungs- und Dehnübungen bei regelmäßiger Durchführung.
first class: Viele Verantwortliche berichten, dass Angebote wie höhenverstellbares Mobiliar aber kaum genutzt werden – was tun?
Franke: Hier greifen verhaltensorientierte Angebote des BGM. Das Wissen um die eigene Gesundheit ist ein wichtiger Faktor. Wenn ein neues Hightech-Gerät in der Küche angeschafft wird, gibt es grundsätzlich eine Einweisung für die Mitarbeiter – dieser Ansatz muss auch beim BGM verfolgt werden. Das Wissen um die positiven Auswirkungen eines an den Körper angepassten Arbeitsplatzes muss vermittelt und dem Mitarbeiter gezeigt werden, welche Arbeitshöhe die richtige ist und wie er diese einstellen kann. So werden Hilfen, wie höhenverstellbares Mobiliar, auch angenommen.
first class: Ihre zweite empfehlenswerte Maßnahme lautet Sport, welche Übungen empfehlen Sie konkret?
Franke: Bei Mitarbeitern in der Küche gilt es im Speziellen, sie aus ihrer passiven Körperhaltung herauszuholen. Diese entsteht durch fehlende Bewegung und einseitige Arbeitsschritte. Langes Stehen und Kochen oder Schneiden, also Bewegungen, die vor dem Körper durchgeführt werden, müssen ausgeglichen werden. Hierfür eignen sich einfache Streckübungen oder Rotationsbewegungen. Gegen schwere Beine hilft das Anheben der Fersen, wodurch die Venenpumpe aktiviert wird. Jede Übung, die zwischendurch am Arbeitsplatz eingebaut wird, sorgt für Entlastung. Diese sogenannten Minipausen lassen sich durch ein gezieltes Training ergänzen, denn der Mensch lebt von ausreichend Bewegung, die uns im modernen Alltag viel zu häufig fehlt. Auch passendes Schuhwerk spielt eine wichtige Rolle, denn die Arbeitssicherheitsschuhe sind häufig ein Teil des Problems.
first class: Wie äußert sich die Problematik und was kann man präventiv tun?
Franke: Eine wiederholende und hohe Belastung der Füße lassen Fehlstellungen und Probleme entstehen, die den gesamten Bewegungsapparat betreffen. Viele Mitarbeiter geben die Rückmeldung, dass ihre Arbeitssicherheitsschuhe nicht richtig passen und diese so mitverantwortlich für das Problem sind. Die Sportgemeinschaft Langenfeld hat deshalb in Kooperation mit molibso das System Pedalys entwickelt. Mit der individuellen Fuß- und Ganganalyse und einem gezielten Fußtraining, sowie der Auswahl des richtigen Arbeitsschuhs lässt sich dem entgegenwirken. Wir bieten Pedalys direkt vor Ort im Unternehmen an oder die Mitarbeiter kommen zu uns.
first class: Inwiefern „gesunden“ auch Unternehmen durch gesündere Mitarbeiter? Kann man erfolgreiches BGM messen?
Franke: Seit ein paar Jahren verzeichnen wir einen branchenübergreifenden Trend in deutschen Unternehmen – auch bedingt durch die vermehrte Förderung des BGM. Bei den Unternehmern scheint angekommen zu sein, dass gesunde und engagierte Mitarbeiter unentbehrlich für den unternehmerischen Erfolg sind: denn gesündere Mitarbeiter bedeuten ein gesünderes Unternehmen. Erfolgreiches BGM schlägt sich entsprechend positiv in den Kennzahlen nieder. Neben der Reduzierung der Kosten durch krankheitsbedingte Ausfälle beeinflusst BGM auch die Altersstruktur und die weichen Kennzahlen, also Aussagen über die Motivation, Engagement und Commitment der Mitarbeiter.
first class: Stressmanagement ist ein weiterer Baustein eines guten BGM. Welchen Expresstipp haben Sie für die Rush-hour in der Küche?
Franke: Grundsätzlich sollte das Ziel von Stressmanagement in der Stärkung der individuellen Bewältigungskompetenzen sowie eines möglichst breiten Bewältigungsrepertoires liegen. Dazu gehören Themen wie die Identifikation von persönlichen (negativen) Stressoren, systematisches Problemlösen, Zeitmanagement und das Erlernen von Stressbewältigung. Während der Arbeit gut anwendbar ist die Atementspannung. Nach einem gezielten Training in ruhiger Atmosphäre lässt sich die Methode sehr gut in die Arbeitswelt transportieren. Man sollte dafür beginnen die Atmung in die verschiedenen Körperregionen zu lenken. Angefangen mit der Unter-/ Oberbauchatmung und der Brustatmung. Ein gezieltes Atmen lässt die Herzfrequenz und das wahrgenommene Stresslevel sinken.
first class: Herzlichen Dank für das Gespräch!
© first class, by Antonia Perzl
Annika Franke: BA Management im Gesundheitstourismus, BGM-Dozentin Deutsche Hotelakademie
Der 12-monatige Lehrgang Betriebliches Gesundheitsmanagement der Deutschen Hotelakademie vermittelt das Know-how, um ganzheitliches BGM einzuführen und zu etablieren. Die berufsbegleitende Weiterbildung startet im April, Juni oder Oktober und beinhaltet die zentralen BGM-Handlungsfelder Bewegungsgewohnheiten, Ernährung, Stressmanagement und Suchtmittelkonsum. Die Teilnehmer lernen zudem die rechtlichen und steuerlichen Hintergründe des BGM kennen.
first class epaper 1-2 / 2021
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