Stressmanagement - Kann ich Stress managen?
Umgang und Methoden, um Stress erfolgreich zu bewältigen
Marie-Therese Heep, 04/23, Lesezeit: 6 Minuten
Im Prinzip läuft bei Stress heute das gleiche Programm ab wie bei unseren Vorfahren. Nur, dass sie in Stresssituationen gerieten, wenn ein Säbelzahntiger oder ähnliche bedrohliche Gefahren auflauerten. Das Stammhirn der Steinzeitmenschen schlug Alarm. Umschalten auf Überlebenskampf – und loslaufen! Bei der Wahl zwischen Laufen, Raufen oder Schockstarre kam es auf Millisekunden an, die über Leben und Tod entschieden. Freund und Feind? Die Steinzeitmenschen mussten blitzschnell unterscheiden, Geräusche wahrnehmen und schnell handeln. Stress entstand also auch damals schon im Verstand: Du musst denken, um gestresst zu sein.
Dies ist bis heute eigentlich eine wunderbare Fähigkeit des Gehirns. Nur haben wir Menschen noch nicht ausreichend gelernt, damit teilweise bewusst umzugehen. Gut, Säbelzahntiger müssen wir nicht mehr fürchten. Aber Stress können auch Kollegen, Ehepartner, Kinder oder andere Druck-Situationen auslösen. Es ist nicht nur ein Reiz oder eine Reaktion. Sondern es ist vielmehr ein Prozess, durch den wir Bedrohungen und Herausforderungen aus der Umwelt bewerten und bewältigen. Gefährlich wird es dann, wenn der Stress zum Dauerzustand wird. Also – wenn wir uns die ganze Zeit so fühlen, als würden wir von Säbelzahntigern gejagt werden. Kreativität, das Ausschöpfen unseres Potentials, die Fähigkeit zu Empathie und auch die Beziehungsgestaltung fallen uns dann schwer.
Wie bewerte ich selbst Stress?
Erlaube mir, gleich mal mit einem kleinen Test einzusteigen. Zu welcher Aussage tendierst Du:
1. Stress ist schädlich und sollte reduziert, vermieden und bewältigt werden.
2. Stress ist hilfreich und sollte akzeptiert, genutzt und angenommen werden.
Wie würdest Du antworten? Das Empfinden von Stress ist sehr individuell – und dennoch möchte ich Dich dabei unterstützen, eine der Aussagen für Dich anzunehmen. Welche es wohl sein mag? Dazu später mehr.
Alles zu viel – wie geht Stressmanagement für Führungskräfte?
Vielleicht denkst Du gerade, es ist schon sehr stressig in der Hotellerie und Gastronomie zu arbeiten. Ich muss immer flexibel auf alles reagieren, muss dann arbeiten, wenn andere frei haben. Oder auch, dass die Arbeit nie zu Ende ist. Es gibt immer etwas zu tun! Die Erfahrung habe ich auch gemacht. Aber ich habe auch Lösungen gefunden, damit umzugehen. An eine Geschichte zum Thema Stressmanagement als Führungskraft erinnere ich mich immer wieder gern aus meiner operativen Zeit.
Ich war Führungskraft in einer Lobbybar eines gehobenen Hotels. Sonntagnachmittag. Sonniger Frühlingstag. Spaziergänger. Kaffee und Kuchen. Die halbe Stadt versammelte sich neben den Hotelgästen in der Lobbybar. Noch hatten mein Team und ich alles im Griff. Die Bestellungen wie Cappuccino, Espresso, Bier und Champagner, Kuchen, Pralinen und Clubsandwich kamen rein und gingen raus. Doch irgendwann gab es kein Durchkommen mehr. Gäste teilten sich Tische, andere warteten auf einen Tisch.
Es war drei Uhr nachmittags, wir hatten den Umsatz bereits erreicht, den wir sonst erst immer um 18 Uhr verzeichnen konnten. So langsam merkte ich, dass ich teilweise den Überblick verlor. Das Geschirr ging aus. Kuchen musste in der Küche nachproduziert werden, das Bierfass neu angeschlossen werden. Das war alles noch zu schaffen. Bis sich dann zwei Hundebesitzer in der Bar kreuzten und die beiden Tiere anfingen zu bellen, bis es fast zu einem Hundekampf ausartete.
Mit voll beladenem Tablett lief ich hinter die Theke und stöhnte verzweifelt: „Ich kann nicht mehr“… Meine Mitarbeiterinnen stiegen sofort darauf ein und merkten erst in diesem Moment, dass sie am Rande ihrer Kräfte waren. Ich hatte ihnen mit meinen Worten die stressige Realität vor Augen geführt und sie in diesem Moment demotiviert, dass sie sofort die Spannung verloren. Was jetzt? Ich konnte die Bar ja nicht schließen oder einfach gehen. Was sollte ich tun? Wie geht Stressmanagement auf der Arbeit?
Ich musste meine Energie hochfahren und brachte mich energetisch drei Schritte voraus. Dann konnte ich Sätze rufen wie: „Wir schaffen das, wir lassen uns nicht unterkriegen“ oder „Der Spritzer heute Abend geht auf mich!“ Erst musste ich mich aufraffen, dann meine Mitarbeiterinnen. Das kostete mich viel Kraft. Aber wir machten das Unmögliche möglich und alle Gäste waren glücklich.
Heute weiß ich, erst wenn ich mich selbst führen kann, kann ich andere führen. Nur in der Balance kann ich meinen Mitarbeiterinnen die nötige Sicherheit geben in Stresssituationen.
Stressmanagement Methoden
Auf welche Methoden kannst Du in stressigen Phasen zurückgreifen? Was Dir trotz einer langen To do Liste helfen kann, strukturiert zu bleiben und wie Du trotzdem Phasen der Entschleunigung finden kannst, zeigen wir Dir hier:
Selbstführung und Selbstmanagement
Entschleunige z.B. Deinen Tagesablauf, indem Du Dein Zeitmanagement verbesserst. Dazu gehört es Pausen einzuplanen sowie einen täglichen Puffer für Unerwartetes.
Stressmanagement Weiterbildung
Bilde Dich zu den Themen Stress und Stressmanagement weiter, Du kannst z.B. eine Weiterbildung zum Resilienztrainer absolvieren. Das neue Wissen hilft nicht nur Dir, sondern kann auch an Deine Kollegen weitergegeben werden. Die Schulungen bestehen in der Regel aus gezielten Trainings, Übungen sowie dem Austausch mit Experten.
Beschäftige Dich mit Mindful Leadership - Investitionen in die emotionale Gesundheit zahlen sich aus.
Körperliche Fitness
Körperliche Fitness ist ein grundlegender Weg, um eine gute physische, psychologische und soziale Widerstandsfähigkeit aufzubauen, und daher für die Führungskraft ein wichtiger Weg, um eine gesunde Regeneration zu unterstützen.
Kunst der Erholung
Nimm Dir genügend Zeit für ausgleichende Aktivitäten. Du kannst z.B. Yoga- oder andere Sport-Kurse, Entspannungs-, Meditations- und Achtsamkeitsübungen machen. Nimm Deine Urlaubstage regelmäßig in Anspruch. Regelmäßige Kurztrips können wahre Wunder bewirken. Schlafe ausreichend. Schlafmangel macht Dich anfälliger für Stress. Und Stress kann wiederum zu Schlafmangel führen. Vermeide diesen Teufelskreis und achte auf eine gesunde Routine.
Bewusst mit Stress umgehen
Ich glaube, dass wenn ich mir der Entstehung meines Stresses bewusst bin, dann kann ich auch wissen, wo ich gezielt ansetzen kann. Ich gebe Dir ein paar Fragen zur Selbstreflexion mit:
- Wenn Du so zurückblickst, welche Stresssituation fällt Dir als erstes ein?
- Was würdest Du gerne ändern?
- Was möchtest Du gerne Neues ausprobieren?
Stress als Glücksfaktor?
So komme ich zum Anfang meines Textes zurück. Natürlich wollte ich darauf hinaus, dass die zweite Aussage meiner kleinen Einstiegsfrage diejenige ist, mit der ich und auch Du arbeiten können: „Stress ist hilfreich und sollte akzeptiert, genutzt und angenommen werden“.
So ähnlich hat das übrigens auch mal Kelly McGonigal formuliert: “Sehe Stress nicht als negativ. Sondern etwas, das mir wichtig ist, steht auf dem Spiel.” McGoginal ist Gesundheitspsychologin, ihr Buch “Glücksfaktor Stress” ist sehr lesenswert und unterstützt Dich dabei, Stress nicht als Feind zu sehen, sondern durchaus positiv. Denn auch das Denken über Stress spielt eine entscheidende Rolle, wie sehr Stress belastet. Kann nun die Tatsache, wie Du über Stress denkst, Dich gesünder machen? Die Wissenschaft sagt ja. Wenn Du die Einstellung zu Stress änderst, ändert sich auch die Reaktion auf Stress im Körper.
Zu Stress kommt es weniger durch Ereignisse selbst, sondern eher durch die Art und Weise, wie wir sie bewerten. Manchmal kann es sogar auch spannend sein, Stress zu haben im Berufsleben. Es gibt auch die Redewendung “Ich brauche den Druck", um richtig produktiv zu sein – kenne ich von mir selbst auch. Manche Hochleistungssportler, erfolgreiche Entertainer oder Führungspersönlichkeiten blühen unter Stress auf und sind dann besonders gut, wenn sie gefordert werden. Manche Menschen, die z.B. Krebserkrankungen oder Schicksalsschläge überwunden haben oder auch über den Verlust eines Arbeitsplatzes hinweggekommen sind, entwickeln daraus ein größeres Selbstbewusstsein und mehr Orientierung im Leben.
Was passiert bei Stress im Körper?
In einer typischen Stresssituation erhöht sich die Herzfrequenz und die Adern ziehen sich zusammen. Wenn ich Stress als positiv sehe, erhöht sich die Herzfrequenz ebenso, doch bleiben die Adern entspannt. So ähnlich reagiert der Körper übrigens auf Freude. Und genau das ist es, was die moderne Wissenschaft über Stress enthüllt hat. Es ist entscheidend, wie ich über Stress denke.
Ein weiterer Aspekt, den Kelly McGoligan vertritt ist: “Stress macht Dich sozial.” Bei Stress spielt das Hormon Oxytocin eine Rolle, die Hirnanhangdrüse setzt es in entsprechenden Situationen genauso frei wie Adrenalin, das Dein Herz höherschlagen lässt. Nur, dass Oxytocin ganz anders wirkt: Es ist auch bekannt als "Schmusehormon", denn es wird ebenso bei Umarmungen ausgeschüttet. Es schärft die sozialen Instinkte im Gehirn. Oxytocin lässt die Menschen Körperkontakt suchen mit Freunden und Familie. Es steigert die Empathie.
Was bringt dieses Wissen für die Stresssituation? Oxytocin wirkt sich nicht nur im Gehirn aus, sondern auch im Körper: es soll das Herz-Kreislaufsystem vor den Nebeneffekten des Stresses schützen. Es hilft den Blutgefäßen entspannt zu bleiben und stärkt das Herz. Der Effekt lässt sich übrigens noch vergrößern: Durch soziale Unterstützung setzt der Körper noch mehr Oxytocin frei. Also, das nächste Mal in einer Stresssituation: Jemandem helfen oder selbst Hilfe suchen!
Und noch ein – durchaus hilfreicher - Indikator kann Stress sein. Er kann auch bedeuten: ich stecke fest. Gestresst sein kann ein guter Hinweis für Entwicklungschancen sein. Das Positive in Stress zu sehen, macht Dich resilienter. Die Qualität Deiner Gedanken ist ausschlaggebend für die Qualität Deines Lebens.
Um mehr über das Thema Stress zu erfahren oder wie du gelassener und somit resilienter im Leben wirst, kannst Du in unserer Ausbildung zum Resilienztrainer lernen.
Über Marie-Therese Heep:
Marie Therese Heep ist FUTURE Coach, Trainerin und Unternehmensberaterin. Sie studierte Hotelbetriebswirtschaft und hat über 15 Jahre als Führungskraft in der Hotellerie und Gastronomie in verschiedenen Hotels und Ländern gearbeitet. Heute ist ihr Ziel Leichtigkeit in den Arbeitsalltag, Spaß ins Team und Herzlichkeit direkt an den Gast zu bringen. Der Wunsch, in mehreren Hotels und Unternehmen zu diesem Verständnis beitragen zu können hat sie 2017 in die Selbständigkeit als Beraterin, Trainerin und Coach geführt. Menschen für Leadership und Service begeistern, liegt ihr dabei sehr am Herzen.